Sabine Große
Den Diskurs einer Malerei jenseits der Malerei dürfte diesen Sommer im Badischen eine Ausstellung in den Offenburger Marx Galleries beflügeln: Die teils großformatigen Arbeiten der Künstlerin Sabine Große reißen den Betrachter hinein in ein Farbenspiel mit Erdtönen der unterschiedlichsten Couleur oder knallbunte Pigmenten. Doch sich überlagernde negative Menschenschatten lassen Zweifel aufkommen, daß es sich hier um Malerei im klassischen Sinne handelt.
Tatsächlich hat hier keine Künstlerhand gewirkt, sondern im Sinne Talbots, einem der Mitentdecker der Photographie, tobte vielmehr der „Pinsel der Natur“. Akteur ist das Licht der Sonne, das Schatten von Gegenständen zeichnet. Um diese zu fixieren, fertigt Sabine Große seit 1998 in einem besondern Edeldruckverfahren, dem Gummidruck, mittels Pigmenten lichtempfindliche Schichten auf schwerem Papier und exponiert diese mit aufgelegten Gegenständen dem Sonnenlicht. Dieser Vorgang wird bis zu sechs Mal wiederholt. Durch das abermalige Beschichten und Exponieren durchdringen sich die unterschiedlichen belichteten Schatten und fusionieren mit der Farbe zu einem phantomhaften Etwas. Durch die matte, mitunter samtene Oberfläche und das Sfumato der weichen Töne wird die malerische Wirkung noch gar verstärkt.
Auf diese Weise schafft Große atemberaubendes Schattenbilder, in denen sich geisterhaft die Schatten von Menschen, objets trouvés oder Naturgegenständen durchdringen. Sabine Große ist es damit gelungen, neue Akzente in dem Feld des Ganzkörperphotogramms neben Künstlern wie Floris M. Neusüss oder Adam Fuss zu setzen. Obgleich sie mit lichtempfindlichen Materialien arbeitet, macht die in Kaufungen bei Kassel lebende Künstler unmißverständlich klar, daß ihre Arbeiten keinen Photographien sind, sondern daß Schattenaufnahmen ganz anderen Gesetzen als kamerabasierte Aufnahmen gehorchen.
Sabine Große wurde 1960 in Stuttgart geboren. Nach einer Ausbildung als Sozialpädagogin in Mannheim arbeitete sie länger in der Jugendarbeit. Schließlich fand sie den Weg an die Kunsthochschule Kassel, wo sie bei Prof. Floris M. Neusüss studierte. Der Nestor des Photogramms attestiert ihren Arbeiten, daß sie „dem Photogramm nie gesehene Farbigkeiten beschert“ hat. Nach dem Studium ließ sie sich dauerhaft in Kaufungen bei Kassel nieder. Große war in wichtigen Ausstellungen in Deutschland, aber auch in Australien mit vertreten.
Auf der Ausstellung in Offenburg zeigt sie kleinformatige Arbeiten, wie z.B. die 20×40 cm großen „Meeres-Schatten“, die über mehrere Jahre hinweg auf der Nordseeinsel Oland entstanden. In Arbeiten wie „Im Walde“ und „Im Garten“ klingen Naturmotive, wie Blätter, Äste und Gräser in irdenen Tönen an. Ferner warten in den Marx Galleries auf den Besucher auch beeindruckende bis zu zwei Meter hohe Großformate. Schließlich bietet sich für die Kunstfreunde der Ortenau die einmalige Gelegenheit, sich von Sabine Große sogar ein persönliches Schattenportrait anfertigen zu lassen.
Der Aufbau
Zur Ausstellung spricht der Kurator der Ausstellung Tim Otto Roth (Oppenau/Köln). Roth gehört zu den weltweit führenden Experten für Schattenaufnahmen und Photogramme. 2001 gründete er das Portal www.photogram.org, seine zahlreichen Publikationen gelten als Standardwerke in der Forschung. 2006 leitete er zusammen mit Peter Weibel ein Symposium am ZKM Karlsruhe, das sich erstmals überhaupt dem Schattenbild explizit als Thema widmete. Derzeit promoviert er zu dem Thema an der Kunsthochschule für Medien in Köln.
Anläßlich der Ausstellung stellt Tim Otto Roth den nächsten Band seiner Publikationsreihe „Position“ vor, der sich in eingehender mit der „inversen Archäologie“ in Sabine Großes Oeuvre befaßt. Zu der neuen „Position“ erscheint eine Edition mit 30 Künstlerexemplaren zum Vorteilspreis, für die Sabine Große eigens kleine Originalarbeiten angefertigt hat.